Eben habe ich von den 2015er «Dietary Guidelines for Americans» berichtet, in denen es eine radikale Neubeurteilung des Cholesterins geben soll. Nur Tage vor der geplanten Veröffentlichung der Guidelines haben jetzt US Kongress und Senat 1 Million Dollar zur Überarbeitung neuer Guidelines verabschiedet.

Die Dietary Guidelines for Americans erscheinen alle 5 Jahre. Seit Anfang dieses Jahres wird die Veröffentlichung der neuen, 2015er Guidelines auf Ende 2015 angekündigt. Bislang sind sie aber noch nicht publiziert. Der entsprechende wissenschaftliche Hintergrundsbericht ist hingegen seit Februar 2015 verfügbar.

Gemäss Hintergrundbericht soll zum ersten Mal die Einschränkung der Cholesterinzufuhr aufgehoben werden. Dies ist als Fortschritt einzustufen. Andere Empfehlungen wie beispielsweise bei den gesättigten Fettsäuren oder dem Salz sollen hingegen unverändert bleiben – was man durchaus hinterfragen kann. Diese Kritik ist jetzt wohl bis in den US-Kongress gelangt.

Nach der Debatte zum Haushalt 2016 wurden gesmthaft Ausgaben in der Höhe von 1.1 Billionen Dollar von Kongress und Senat bewilligt. Ein kleiner Teil davon, dennoch ganze 1 Million Dollar, sollen für die Überarbeitung der Dietary Guidelines for Americans eingesetzt werden. Die Gründe werden im Consolidated Appropriations Act 2016 und einem Begleitschreiben genannt. Sie sind heftig…

Demnach soll gemäss Sektion 734 des Aktes «kein Geld aus diesem oder anderen Akten zur Veröffentlichung oder Implementierung der 8. Dietary Guidelines for Americans eingesetzt werden», solange nicht gesichert ist, dass jede Information oder Empfehlung aus den alten 2010er Guidelines und jede neue Information oder Empfehlung in den 8. Guidelines auf wesentliche wissenschaftliche Evidenz basiert. Damit könnten die 2015er Guidelines zu Grabe getragen worden sein, noch ehe sie veröffentlicht wurden. Ein Indiz dafür ist, dass im Akt zwar wörtlich von den 2010er Guidelines gesprochen wird, die neuen aber nicht als 2015er, sondern auf einmal als 8. Guidelines bezeichnet werden. Bislang war immer nur von den 2015er Guidelines die Rede…

Das weitere Vorgehen hat es auch in sich. Die Guidelines werden normalerweise vom US Departement of Agriculture und US Department of Health and Human Services veröffentlicht. Die Sicherstellung, dass die 8. Guidelines der wissenschaftlichen Evidenz entsprechen, soll aber gemäss Kongress die National Academy of Medicine übernehmen – als Auftrag vom Departement of Agriculture. Die National Academy of Medicine ist eine private Non-Profit Organisation, die unter anderem die US-Empfehlungen zur Nährstoffzufuhr veröffentlicht, welche üblicherweise als Basis der Herleitung von Dietary Guidelines genutzt werden.

Mit anderen Worten: Der Kongress hat einem US Departement aufgetragen, eine seiner Aufgaben durch eine externe Non-Profit Organisation überprüfen zu lassen – weil, gemäss Begleitschreiben zum Consolidated Appropriations Act 2016, «Fagen bezüglich der wissenschaftlichen Integrität bei der Herleitung der Empfehlungen aufgeworfen wurden» und der Kongress «weiterhin bezüglich der Qualität der wissenschaftlichen Evidenz» der Herleitung der Guidelines besorgt ist.

Die Begutachtung der Herleitung der 8. Guidelines sowie die im wissenschaftlichen Hintergrundbericht dargelegten Empfehlungen soll sauber und transparent ablaufen. Deshalb sollen die Leute, welche bei der Erstellung der (vermeintlichen) 2015er Guidelines mitgearbeitet haben, aus Befangenheitsgründen nicht an der Begutachtung durch die National Academy of Medicine teilnehmen. Vierteljährliche Berichte über diese Begutachtung sollen von der National Academy of Medicine erstellt werden.

Somit wären jetzt die Bedingungen geschaffen, saubere und auf wissenschaftlicher Basis hergeleitete Dietary Guidelines herzuleiten. Mit 1 Million Dollar müsste dies möglich sein. Ich bin gespannt auf das Ergebnis der Begutachtung. Und ob dann die Empfehlungen in anderen Ländern ebenfalls angepasst werden…