Vor rund zehn Jahren wurde an der Jahrestagung des American College of Sports Medicine ein Übersichtsvortrag zum Thema körperliche Aktivität, Übergewicht und Krankheitsrisiko gehalten. Die Botschaft lautete in etwa, übergewichtige aber körperlich aktive Menschen haben ein geringeres Krankheitsrisiko als normalgewichtige aber inaktive Menschen. Oder von einer anderen Perspektive betrachtet, für eine Risikoreduktion muss man nicht zwingend abnehmen, falls man übergewichtig ist. In der Sportwissenschaft war dies damals schon bekannt, aber nicht bei den nicht-wissenschaftlich tätigen Tagungsteilnehmenden. Entsprechend gut erinnere ich mich an die Reaktion einer Teilnehmerin: „Wieso erzählt man uns erst jetzt, dass Abnehmen weniger wichtig ist wie die körperliche Bewegung!“ Erzählt hatte man es schon, nur wurde die Botschaft nicht von allen gehört. Selbst heute haben nicht alle diese Botschaft gehört. Geplante Massnahmen zur „Verbesserung der Gesundheit in der Bevölkerung“ zielen immer noch auf das Erreichen eines Normalgewichts, definiert über den Body Mass Index von 18 bis kleiner 25 kg/m2.

Norbert Stefan und ein Tübinger Forschungsteam haben mit ihrer jüngsten Veröffentlichung in den Archives of Internal Medicine nun den x-ten Hinweis geliefert, dass Übergewicht – ermittelt über den Body Mass Index – nicht zwingend mit einem erhöhten Risiko einher gehen muss (und dass Übergewicht nicht gleich Übergewicht ist) (1). Ein Teil der untersuchten und stark übergewichtigen Erwachsenen hatte keinen verschlechterten Blutzuckerstoffwechsel und auch der Gehalt diverser anderer Risikomessgrössen war nicht von den Gehalten der normalgewichtigen Erwachsenen unterschiedlich. Beim anderen Teil der stark Übergewichtigen konnte hingegen aufgrund der Gehalte der Risikomessgrössen ein erhöhtes Risiko ermittelt werden. Ein zentraler Unterschied, der mit dem unterschiedlichen Risikoprofil bei den stark Übergewichtigen einher ging, war der Verfettungsgrad der Leber: Je fetter, umso höher das Risiko. Dieses Ergebnis reiht sich jedenfalls nahtlos an die Ergebnisse vieler anderer Studien, die die Bedeutung des Body Mass Index als pauschale Grösse zur Ermittlung des Krankheitsrisikos mehr als nur in Frage stellen.

1. Stefan N, Kantartzis K, Machann J et al. Identification and characterization of metabolically benign obesity in humans. Arch.Intern.Med. 2008;168:1609-16.