Folsäure ist ein Vitamin und wird deshalb generell als sinnvoll oder gar „gesund“ betrachtet. In den USA wurde 1998 die zwingende Anreicherung von Mehl mit Folsäure eingeführt, um die Gefahr einer bestimmten Fehlbildung des noch ungeborenen Kindes – dem Neuralrohrdefekt – zu verringern. Viele mahnen aber unterdessen zur Vorsicht. So auch Lucock und Yates von der Universität Newcastle in Australien. In ihrer kürzlich erschienen Übersichtsarbeit weisen sie darauf hin, dass Folsäure zwar einen möglichen schützenden Einfluss vor dem Neuralrohrdefekt hat (1). Aber gleichzeitig steigt mit einer zu hohen Zufuhr an Folsäure auch die Gefahr gleich mehrerer Krankheiten.
Dies wirft nun Fragen auf. Wie sinnvoll ist es, ein Lebensmittel generell mit einem einzelnen Nährstoff anzureichern? Ist eine zwingende Anreicherung mit Folsäure, die nicht nur die tägliche Folsäurezufuhr werdender Mütter erhöht, sondern prinzipiell auch die Folsäurezufuhr der gesamten Bevölkerung anhebt, überhaupt gerechtfertigt? Darf man eine Massnahme ergreifen, welche zur Senkung der Gefahr einer Krankheit bei gleichzeitiger Erhöhung der Gefahr von anderen Krankheiten führt? Da die Wissenschaft bezüglich Folsäureanreicherung noch zu keinem Schluss gekommen ist, sollten auch keine bevölkerungsweiten Massnahmen getroffen werden.
Jedenfalls erinnert das Beispiel der Folsäure an zwei Grundregeln: auch Vitamine können schädlich sein und die Anreicherung von Lebensmitteln mit einzelnen Nährstoffen muss gut überlegt und ausgetestet werden, bevor die Bevölkerung mit solchen Lebensmitteln konfrontiert wird.
1. Lucock M, Yates Z. Folic acid fortification: a double-edged sword. Curr.Opin.Clin.Nutr.Metab.Care 2009;12:555-64.